Was ist digital?

Vortrag von Priv.- Doz. Dr. Martina Leeker, 4. Juni, 11 – 12 Uhr

Die Digitalisierung der Bestände von Museen und Archiven sowie deren Bereitstellung im Internet erfassen weder die Besonderheit von Digitalität, noch die Potenziale Ästhetischer Vermittlung. Digitalität steht nämlich für eine Wende hin zu einer allgegenwärtigen, alles durchdringenden und alltäglich gewordenen Daten-Welt, die sich aus möglichst umfassender Konnektivität sowie aus techno-sozialen Kooperationen konstituiert. Diese digitalen Kulturen zu reflektieren und ihnen gegebenenfalls mit anderen Gestaltungsweisen zu begegnen, kann im Sinne einer kritischen und spekulativen „Erweiterten digitalen Vermittlung“ (Expanded Digital Mediation) Aufgabe von Museen und Archiven als Orte der Versammlung von Abweichendem und Widerständigem sein. Es werden vier Reflexions- und Handlungsfelder vorgeschlagen, deren Grundlage eine Kultur der Mediokrität ist, die sich aus dem Wissen um die unhintergehbare Medialität und Kontingenz der Existenz sowie der daraus entstehenden Einsicht in eine allgemeine Mittelmäßigkeit konstituiert. Es geht erstens um eine Beobachtung zeitgenössischer Menschen- und Technikgeschichte in posthumanen und techno-ökologischen Narrativen, die in diskurskritischen Labs auf ihre Regime hin getestet werden. Zweitens sind Labs für eine Aufklärung über Kritik sowie für die Entwicklung von toolkits für deren Ausprägung in digitalen Kulturen wichtig. Labs können drittens als eine ästhetische Vermittlung 2.0 z. B. durch das Umgestalten von biased programming oder die Beförderung von Diversität und Serendipität zu „de-kolonisalisierenden“ technischen Gestaltungweisen beitragen. Schließlich sind viertens „Zonen der Entnetzung“ (Urs Stäheli) von Bedeutung, in denen Figuren und Narrative des Entzugs von Digitalität entwickelt und getestet werden. Allen vier Feldern wären techno-human organisierte Archive für Best Practices zur Verfügung zu stellen. Unabdingbar ist bei diesen Unternehmungen eine solide Kontinuität.


Martina Leeker ist Theater- und Medienwissenschaftlerin sowie Künstlerin und Performerin im Bereich „Performing Knowledge and Speculation Labs“ (Vgl.: http://projects.digital-cultures.net/e-i/). Bis Herbst 2018 war sie Senior Researcher am Centre for Digital Cultures (CDC) der Leuphana Universität Lüneburg. Sie ist als Lehrbeauftragte an diversen Universitäten im In- und Ausland in den Bereichen Theaterwissenschaft, Medienwissenschaft sowie Artistic Research tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Digitale Kulturen, Kritik, Theater und Medien, Art and Technoloy sowie Artistic Research, ein Bereich den sie auch selbst als „Research with Art“ praktiziert. Zu ihren jüngsten Publikationen gehören u. a.: Performing the Digital, hg. mit Imanuel Schipper und Timon Beyes (Bielefeld 2017); Interventions in Digital Cultures, hg. mit Howard Caygill und Tobias Schulze (Lüneburg 2018); (Ästhetische) Vermittlung 2.0. Von Kunst-/Vermittlung und Kritik in digitalen Kulturen, in: Kunstpädagogische Positionen, Heft 40 (2018). Sie ist Initiatorin und Mitherausgeberin der Buchserie Digital Cultures des CDC bei Meson Press (https://meson.press/series-page/digital-cultures-series/) sowie der CDC-Videointerview-Serie: What are digital Cultures? (https://www.leuphana.de/en/research-centers/cdc/people/research-topics/cdc-questions.html). Derzeit entsteht die Monografie „Kritik in digitalen Kulturen. Vom Ende der Kritik und Anders-Kritisieren in posthumanen Zeiten“.